Begegnung im Dom 2022

Begegnung im Dom 2022

Stifter brauchen keinen Arzt

BENEFIZ Zum 17. Mal veranstaltet der Naumburger Lions Club seine „Begegnung im Dom“ und wirbt Spenden ein. Bemerkenswerter Vortrag widmet sich Visionen.

VON ALBRECHT GÜNTHER

NAUMBURG - Kann eine pampige Antwort auf eine dusselige Frage Ausgangspunkt für einen Festvortrag sein? Ja, meint jedenfalls Holger Kunde. Der Direktor der Vereinigten Domstifter nutzte deshalb einen 1980 von Helmut Schmidt geprägten Satz für den Titel seines Vortrages, den er während der „Begegnung im Dom“ hielt: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ Wobei Kunde die Aussage umkehrte: Nicht der Psychiater helfe bei Visionen, sondern eigenes Handeln zu deren Verwirklichung. Und so blickte der Stiftsdirektor visionär auf die Entwicklung der Domstifter, die einige „Kracher“ verspreche.

Drinnen 18, draußen 34 Grad Bei angenehmen kühlen 18 Grad - draußen herrschten immerhin noch 34 - kamen die Gäste des Begegnungsabends ob dieser Ankündigungen ins Staunen. Zum 17. Mal hatte der Naumburger Lions Club am Sonnabend zu seiner Benefizveranstaltung „Begegnung im Dom“ eingeladen. Nach zwei Jahren Corona-Pause konnte Club-Präsident Peter Hoekstra dazu eine Vielzahl von Gästen begrüßen. Mit dem Erlös dieser Veranstaltung, die im gesellschaftlichen Leben der Stadt bereits einen festen Platz hat, unterstützen die Lions in diesem Jahr die Naumburger „Herberge zur Heimat“ als Unterkunftsstätte für Obdachlose sowie die Anpflanzung eines Blauglockenbaumes im Domgarten. Dafür dankte Domstifter-Dechantin Karin von Welck ganz herzlich.

30.000 Euro für Naumburg Gewürdigt wurde das soziale Engagement des Naumburger Lions Clubs, der am 20. Juni 1994 gegründet worden war, auch von Landrat Götz Ulrich und Naumburgs Oberbürgermeister Armin Müller (beide CDU). Während Ulrich die Großspende erwähnte, mit der es möglich gewesen sei, dringend benötigte Beatmungsgeräte in eine Kiewer Notfall-Klinik zu bringen, verwies Müller auf die rund 30.000 Euro, die der Club in den vergangenen fünf Jahren der Stadt gespendet habe. „Für dieses bürgerschaftliche Engagement sind wir als Stadt sehr dankbar“, so der Oberbürgermeister. Gemeinsam stärker an einem Strang ziehen sollten nach Aussage von Holger Kunde auch der Landkreis, die Stadt Naumburg und die Domstifter, um die touristische Infrastruktur zu verbessern. „Sowohl die Kulturlandschaft Saale-Unstrut als auch die Stadt Naumburg könnten da noch ein Stück zulegen. Wir brauchen den Straßenbahn-Ausbau ebenso wie das neue Theater und ein großes Hotel.“ Für die Stifter mit ihren drei Standorten Merseburg, Naumburg und Zeitz informierte Kunde über laufende und kommende Projekte.

Zwei farbige Fenster Flaggschiff ist das künftige Welterbe-Zentrum am Domplatz 1, dessen Kosten zunächst auf 11,9 Millionen Euro geschätzt wurden. „Angesichts der steigenden Preise könnte der Kostenrahmen jedoch gesprengt werden. Aber wenn das Haus fertig ist, haben wir nicht nur ein imposantes Bischofspalais zurückgewonnen, sondern auch ein Zentrum geschaffen, welches den Besuchern den Dom als Weltkultur-Erbe und die Region eindrucksvoll präsentiert“, so der Redner. Entstehen soll dort auch eine „Regionale Genusswelt“, „deren Finanzierung allerdings noch nicht gesichert ist“. Auf gutem Wege seien die Arbeiten am Gebäude Domplatz 20, in das eine Pension einzieht. Ausschreiben wollen die Domstifter einen künstlerischen Wettbewerb zur farblichen Gestaltung der beiden blanken Fenster im Westchor. Diese könnten dann - ähnlich wie die Neo-Rauch-Fenster in der Elisabeth-Kapelle oder die GerhardRichter-Fenster im Kölner Dom - ein weiterer besonderer Anziehungspunkt für Touristen sein. Mit der Gestaltung werde zudem im Westchor die derzeitige „Lichtstörung“ beseitigt. Ab 3. Juli erwarte dort eine weitere Besonderheit die Besucher: Das 1519 von Lucas Cranach d. Ä. geschaffene dreiflügelige Altarretabel, das bisher im Domschatz seinen Platz hatte, wird wieder aufgestellt.

Besonderer Altar im Westchor Allerdings war im Jahr 1541 der Mittelteil zerstört worden, den nun der Leipziger Künstler Michael Triegel ebenso neu schuf wie eine Predella. Triegel gilt neben Neo Rauch als wichtigster Vertreter der Neuen Leipziger Schule. Holger Kunde: „Mit diesem Altarretabel gewinnt der Westchor des Doms temporär seinen liturgischen Mittelpunkt zurück; wir sind auf die Meinungen der Besucher gespannt.“ Für Furore sorgen dürfte auch der Prager Domschatz, den die Vereinigten Stifter hoffen, in Naumburg in einer ähnlich spektakulären Schau wie die 2011erLandesausstellung präsentieren zu können. „Wegen Sanierungsarbeiten am Prager Dom wird diese außergewöhnliche Sammlung auf Reisen gehen. Wir haben uns um die Präsentation beworben und stehen bereits auf der Liste der möglichen Ausstellungsorte.“ Aber auch „kleinere“ Projekte wie die Neuordnung der Naumburger Stiftsbibliothek und die damit verbundene Schaffung von Seminar- und Tagungsräumen für Studenten gehören zu den Visionen. Und nicht zuletzt wollen sich die Stifter stärker um Nachhaltigkeit bemühen, so durch die Vergrößerung der Artenvielfalt auf ihren Streuobstwiesen und die Vermarktung deren Erträge.

Hilfe und Beistand
Derzeit gehören dem Naumburger Lions Club 32 Mitglieder an. Sie handeln nach dem Grundsatz: „Wir dienen“. So unterstützt der Club seit seiner Gründung 1994 zahlreiche soziale Projekte. Neben der „Begegnung im Dom“ gehören der Sektverkauf zur Peter-Pauls-Messe am 26. Juni, ab 24. Oktober der Verkauf der Naumburger Adventskalender der Lions sowie die Beteiligung an „Weihnachtliches in den Höfen“ zum Jahresprogramm. Mit den Erlösen wird auf regionaler und internationaler Ebene Hilfe geleistet.

Anerkennung für dieses Wirken gab es vom Lions-Distrikt-Governor Christoph K. Engel, der zur Vielzahl der Gäste des Begegnungsabends gehörte. „Sie zeigen mit ihrem Handeln, dass es nicht nur um finanzielle und wirtschaftliche Hilfe geht, sondern ebenso um Beistand und um tätiges Miteinander.“ Engel rief die Lions dazu auf, junge Menschen für Frieden und Völkerverständigung zu sensibilisieren. Im Anschluss ehrte der Governor die Naumburger Peter Hoekstra für 15-jährige und Gunnar Blache für 20-jährige Mitgliedschaft bei den Lions.

In ihren Grußworten dankten Landrat Götz Ulrich und Naumburgs OB Armin Müller (beide CDU) für das ehrenamtliche Engagement des Clubs. „Erfolgreiche Städte sind jene, in denen es ein starkes bürgerschaftliches Engagement gibt. Deshalb brauchen wir solche Aktivitäten und Projekte wie jene der Lions“, so Müller.

Bereichert wurde der Abend, der im Kreuzgang ausklang, durch Musik von Mitgliedern des Collegiums Thomanum und des Kammerchors Josquin des Préz aus Leipzig. AG