Begegnung im Dom 2018

Begegnung im Dom 2018

Gratulation und Mahnung

BENEFIZ-ABEND Lions-Club Naumburg veranstaltet zum 15. Mal "Begegnung im Dom" Aktion unterstützt Tafel-Replik. Früherer Aachener Oberbürgermeister hält Festrede

Naumburger Tageblatt
VON ALBRECHT GÜNTHER / FOTOS: ANDREAS LÖFFLER

NAUMBURG - Jürgen Linden, von 1984 bis 1989 Bürgermeister und danach bis 2009 Oberbürgermeister der Naumburger Partnerstadt Aachen, war voll des Lobes, fand jedoch auch eindringlich mahnende Worte. „2008 war ich zuletzt in Naumburg. Als wir jetzt durch die Stadt spaziert sind, ist uns das Herz aufgegangen. Was die Gemeinschaft dieser Stadt geschaffen hat, verdient Anerkennung und Respekt. Ich gratuliere ihr dazu von ganzem Herzen“, sagte Linden zu Beginn.

Der frühere Kommunalpolitiker, der am 8. April 1988 mit einer Delegation aus Aachen im Naumburger Rathaus den deutsch-deutschen Partnerschaftsvertrag zwischen den beiden Domstädten unterzeichnet hatte, war Festredner der diesjährigen und damit bereits 15. „Begegnung im Dom“.

Zu dieser Benefiz-Veranstaltung hatte der Lions-Club Naumburg am Sonnabendabend in das Gotteshaus eingeladen. Club-Präsident Klaus Mischke konnte dazu eine Vielzahl von Gästen begrüßen, so auch Doris Becker, die Witwe des am 22. Mai verstorbenen Dechanten der Vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz. An ihn erinnerte Klaus Mischke in seiner Eröffnungsansprache. „Curt Becker hat die Entwicklung unseres Clubs intensiv begleitet und er hat die Begegnung im Dom mit Ideen belebt und gefördert“, hob der Präsident hervor.

Auch Stiftsdirektor Holger Kunde erinnerte an Curt Becker. Dessen Tod habe eine große Lücke gerissen. Es sei aber sicherlich im Sinne des Verstorbenen, so Kunde weiter, dass der Abend als einer der geselligen Begegnung stattfinde.

Zugleich dankte Kunde im Namen der Vereinigten Domstifter für die großzügige Spende, die dem Dom aus der Benefiz-Aktion zugute komme. So unterstützt der Lions-Club in diesem Jahr die Herstellung einer Replik der bronzenen Inschriftentafel des Domherren Johannes von Kitzscher aus dem 16. Jahrhundert (siehe Beitrag „Hilfe für …“).

Die herzliche Begrüßung des Club-Präsidenten galt anschließend dem Festredner des Abends, Jürgen Linden. „Als wir im Club über die Ausgestaltung der diesjährigen Begegnung beraten haben, waren wir schnell beim Thema 30 Jahre Städtepartnerschaft“, sagte Mischke.

Für ihn, so Linden, der mit Ehefrau Maria nach Naumburg gekommen war und der von Stadtoberhaupt Bernward Küper sowie dessen Vorgänger Hilmar Preißer herzlich willkommen geheißen wurde, sei es eine große Ehre, im Naumburger Dom sprechen zu dürfen. Schließlich sei es dieses Bauwerk gewesen, das 1988 auf Aachener Seite den Ausschlag gegeben hatte, sich für Naumburg und nicht für Meißen zu entscheiden.

„Ausgangspunkt unserer Städtepartnerschaft“, blickte Jürgen Linden auf den Beginn zurück, „war ein Antrag der SPD im Rat der Stadt Aachen vom 11. Juni 1985, der zum Ziel hatte, mit der Partnerschaft einen kommunalpolitischen Beitrag zum Frieden und zur Abrüstung in Ost und West zu leisten. Es sollten Kontakte, Begegnungen und wechselseitige Informationen erfolgen, jugendpolitische, kulturelle und wissenschaftliche Initiativen, vor allem gegenseitige Besuche aller Bevölkerungskreise.“ Im August 1985 beschloss dann der Aachener Stadtrat eine solche Friedens-Partnerschaft. Über das Auswärtige Amt wurde versucht, einen Städtepartner zu finden. Seitens der DDR jedoch kam eine Absage. Erst der Vorstoß des Aachener Kunstsammlers Peter Ludwig, der im Beisein Lindens Erich Honecker anrief, brachte Bewegung in die Sache. Jürgen Linden: „Im April 1988 reiste ich mit einer Aachener Delegation nach Naumburg. Im Gepäck hatten wir den Partnerschaftsvertrag der Städte Saarlouis und Eisenhüttenstadt. Es wurde zwei Tage sehr hart im Rathaus verhandelt, so mit dem damaligen Bürgermeister Wilhelm Dohrmann und Stellvertreter Wolfgang Dörfel.“ Eine Etage höher saßen zwei Vertreter der SED-Bezirksleitung Halle, die alles überwachten. Als der Vertrag schließlich unterzeichnet werden sollte, legte die DDR-Seite eine verkürzte Fassung vor. Die Aachener drohten mit Abreise.

Schließlich, nachdem die Naumburger die Verkürzung mit einem „Versehen der im Rathaus arbeitenden Druckerin“, so die offizielle Version, begründet hatten, einigte man sich, die Passagen handschriftlich in das offizielle Dokument einzufügen und es zu billigen. Nach diesem Rückblick - auch auf die Neu-Unterzeichnung des Vertrags am 6. Januar 1990 und die vielfältige Hilfe der Aachener in der Nachwendezeit in Naumburg - ging Linden auf die Zukunft ein.

„Noch immer gibt es ein wirtschaftliches Gefälle zwischen West und Ost. Außerdem wissen im Westen noch immer viele nicht, welche gravierenden Umbrüche die Menschen hier meistern mussten. Zweifellos haben Politik und Wirtschaft seit der Wende sehr viel geleistet, aber sie müssen sich auch fragen lassen, ob sie in die Seelen der Menschen geschaut haben?“

Deshalb sei es jetzt dringender denn je notwendig, in den Dialog miteinander zu treten. „Dazu ist auch die Partnerschaft zwischen unseren beiden Städten gefordert“, so der frühere Aachener OB. Sie müsse „aus der Mitte der Bürgerschaften heraus neue Impulse erhalten und gestaltet werden“. Diese seien - trotz der beiderseitigen Aktivitäten, nicht zuletzt jener der Partnerschaftskomitees - noch zu gering. So sei es ebenfalls nicht gelungen, junge Leute über die Jahre hinweg für die Partnerschaft zu begeistern. Er sei jedoch optimistisch, dass auf beiden Seiten eine stärkere Belebung der Städteverbindung gewünscht und möglich sei, schloss Linden seine Festrede.

Hilfe für Bronze-Tafel

Thomas Fritzsch spielt auf der Viola da Gamba von ihm wiederentdeckte Telemann-Werke.

Mit dem Erlös der diesjährigen „Begegnung im Dom“ unterstützt der Naumburger Lions-Club zwei Projekte. So dient ein Teil der Herstellung einer Replik der bronzenen Inschriftentafel des Domherren Johannes von Kitzscher aus dem 16. Jahrhundert für den Naumburger Dom. Das Original war am 1. Mai 1998 bei einem Einbruch in das Gotteshaus zusammen mit zwei weiteren Tafeln gestohlen worden. Die Tat ist bis heute nicht aufgeklärt, auch die drei Inschriftentafeln blieben verschwunden. Bereits 2014 hatte der Lions-Club das Herstellen zweier Tafeln gefördert, so dass das Trio bald wieder komplett sein könnte.

Der zweite Teil des Erlöses geht an den Förderverein zur Unterstützung der Arbeit mit Versehrten am Zentrum für Sportmedizin der Bundeswehr.

Musikalisch gestaltet wurde der Benefiz-Abend von Thomas Fritzsch. Er spielte auf einer frisch restaurierten Viola da Gamba aus dem Jahr 1703 von ihm wiederentdeckte Kompositionen von Georg Philipp Telemann (1681-1767). Für eine in der Zscheiplitzer Klosterkirche eingespielte CD mit den Telemann-Werken hatte der Freyburger Künstler 2017 einen der begehrten Echo-Klassik-Preise erhalten.

In seinem Grußwort dankte Oberbürgermeister Bernward Küper, selbst Mitglied des Lions-Clubs, der Serviceorganisation für deren Wirken in der Stadt. So habe der Club mit Spenden zahlreiche soziale Projekte unterstützt, zuletzt den Kinder- und Jugendsport.

Auch Oliver Koch, künftiger Governor des Lions-Distriktes Sachsen-Anhalt und Thüringen, würdigte das Wirken des Naumburger Clubs, dem derzeit 36 Mitglieder angehören. Zugleich erinnerte er daran, dass dieser nach der Wende mit Hilfe der Lions aus der Partnerstadt Aachen gegründet worden war.